'Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen', wusste bereits Altkanzler Helmut Schmidt. Diese skeptische Grundhaltung ist auch gegenüber technischen Innovationen durchaus angebracht: Nicht jede, prinzipiell bahnbrechende Neuerung kann sich am Markt dauerhaft etablieren - siehe Wankelmotor, Cargolifter oder Sky Sails für Containerschiffe.
Dennoch: In der Rückschau auf die diesjährige CeBIT kommen unvoreingenommene Beobachter und Experten nahezu einhellig zu der Schlussfolgerung, dass dem Cloud Computing ein ähnlich düsteres Schicksal erspart bleiben wird. Die Branchenauguren begründen ihre positive Prognose zumeist mit Kosten-, Performance- und Skalierungsvorteilen, die sich aus dem externen Bezug zentraler IT-Ressourcen ergeben.
Diese Argumente sind sicherlich berechtigt - werden aber dem eigentlichen 'revolutionären' Potenzial von cloudbasierten Diensten nicht gerecht. Denn diese Technologie wird über kurz oder lang wesentlich zu einer fundamentalen Veränderung der Arbeitswelt beitragen. Zumindest wird die Cloud einen bereits bestehenden Trend weiter beschleunigen: Die zunehmende Entkopplung von Unternehmensstandort und individuellem Arbeitsplatz und die damit verbundene Flexibilisierung von Arbeitszeiten und Internationalisierung der geschäftlichen Zusammenarbeit.
Thomas Loczewski von der Unternehmensberatung Ernst & Young bringt diese allgemeine Entwicklung auf den Punkt: "Die physischen Grenzen eines Unternehmens durch die Datenübertragung via Internet. Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und andere Interessensgruppen haben unabhängig von Zeit und Raum Zugriff auf Unternehmensdaten. Die Veränderungszyklen werden kürzer. Dies führt zur Transformation ganzer Industriezweige ...". (in: LANline 2/2012)
Darüber hinaus werden Cloud-Dienste als technologischer Katalysator die Breitband-Evolution in Deutschland signifikant beschleunigen. Dies gilt nicht nur für die einzelnen Unternehmen einschließlich 'befreundeter'' Zulieferbetriebe und sonstiger Partner, sondern verstärkt für Mitarbeiter, die extern auf die Firmencloud zugreifen - beispielsweise über mobile Endgeräte oder das Home Office.
In diesem Kontext werden direkte Glasfaseranschlüsse weiter an Bedeutung gewinnen und sich bei Unternehmen, die einen Großteil ihrer IT-Systeme über die Cloud abbilden, als bevorzugte Accessvariante etablieren. Denn nur LWL-Verbindungen garantieren eine zuverlässige Bereitstellung von bandbreitenintensiven und übertragungsempfindlichen Services wie zum Beispiel Telepräsenz oder Videokonferenzen.
Und wer weiß: Möglicherweise könnte die Cloud auch der Realisierung von weiteren FTTH-Projekten Vorschub leisten. Die direkte Glasfaseranbindung von Privathaushalten spielt in Deutschland bislang eine verhältnismäßig geringe Rolle.
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