von Jana Wessel

Breitbandnetz ist das Rückgrat der Wirtschaft

Würde ein Historiker kurze Kapitelüberschriften für fundamentale Umbrüche in der Geschichte der Technik seit der frühen Neuzeit wählen, so könnte die Reihenfolge so aussehen: Buchdruck, Dampfmaschine, Elektrizität, Mobilität, Digitalisierung und Vernetzung. Jedes Kapitel stellt für sich eine Revolution dar, die beiden letztgenannten Entwicklungen kennzeichnen eine noch junge, erst am Anfang stehende Epoche. Roman Friedrich ist kein Historiker, sondern promovierter Physiker, und dennoch spricht er im Zusammenhang mit der Digitalisierung von einer industriellen Revolution. Eigentlich ist Friedrich, Vice President bei der Strategieberatung von Booz & Company,  kein Freund pathetischer Worte. Aber wer sich berufsmäßig mit Produktivität, Effizienzanalysen und Optimierungspotenzialen beschäftigt und dabei feststellt, dass der Digitalisierungsgrad in Unternehmen über ihre Zukunft im Markt entscheidet, der findet für den gegenwärtigen fundamentalen Umbruch kein besseres Bild als eben das der industrielle Revolution. Dazu später mehr.

Die Infrastruktur hinter der Digitalisierung und zunehmenden Vernetzung bilden schnelle und immer schneller werdende Datennetze. Ab einer Datenübertragungsrate von 1 Mbit/s beginnt das „schnelle“ Internet; 99,5 Prozent aller Haushalte in Deutschland können darauf zurückgreifen. In fast vier von fünf Haushalten wird Breitbandinternet genutzt, die Zahl der Anschlüsse hat sich seit 2004 auf 31 Millionen vervierfacht. Keine Frage: Deutschland hat in den letzten Jahren gewaltig aufgeholt und den Anschluss zur Spitzengruppe um Schweden, Dänemark und den Niederländern hergestellt. Im EU-Ländervergleich nimmt Deutschland schon den sechsten Platz ein, einen Rang hinter den Finnen. Eine flächendeckende Verfügbarkeit von schnellen Internetverbindungen, betont Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder, ist für den Wirtschaftsstandort Deutschland unverzichtbar. Angesichts des rasant steigenden Datenvolumens ist die deutsche Wirtschaft aber auch zunehmend auf hoch-performante Netze angewiesen. In zwei Jahren: Mindestens 50 Mbit/s für 75 Prozent aller Haushalte, bei gleichzeitiger Beseitigung der letzten „weißen Flecken“, so die Breitbandstrategie der Bundesregierung.

Maßgeblichen Anteil an diesen infrastrukturellen Aufgaben haben die in Deutschland tätigen Telekommunikationsunternehmen, die mit eigenen Netzen die Digitalisierung der Wirtschaft vorbereiten und deren Wettbewerbsfähigkeit stärken. So können schon heute 900.000 Haushalte und Unternehmen die glasfaserbasierten Anschlüsse der im Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) zusammengeschlossenen Netzbetreiber nutzen, zu denen auch Versatel gehört. Datenübertragungsraten größer 50 Mbit/s werden heute schon durch Glasfasernetze realisiert. Die Voraussetzungen sind also da, die es Unternehmen erlauben würden, die nächste industrielle Revolution aktiv zu gestalten. Doch wie bei fundamentalen Umbrüchen üblich, sind neben akzelerierenden auch immer retardierende Kräfte am Werk.

Roman Friedrich hat in seiner europaweiten Studie einzelne Branchen untersucht und diesen Effekt in einem „Branchenindex Digitalisierung“ dargestellt. Die Studie von Booz & Company hat zunächst die Netzinfrastrukturen in den europäischen Ländern unter die Lupe genommen und durchweg festgestellt, dass die Netze kein begrenzender Faktor für die Digitalisierung in Unternehmen sind. Von möglichen 100 Punkten wird die Infrastruktur in Deutschland mit fast 93 Punkten sogar sehr gut bewertet; sie liegt über dem europaweiten Durchschnitt von 90 Punkte.  Es sind vielmehr die Unternehmen selbst aufgefordert, nun ihre „analogen“ Geschäftsprozesse in die digital Welt zu überführen. Hier stellt Friedrich Aufholer wie die Automobilindustrie, Banken, Finanzdienstleister, Medien und  Telekommunikation) fest und Nachzügler wie Transport und Logistik, Konsumgüter und Immobilienbranche. Allein das Vorhandensein von Breitband ist eben noch kein Gewinn, erst die konsequente Nutzung digitaler Technologien im Geschäftsalltag schafft Vorteile.

Warum es heute immer noch handgeschriebene Frachtzettel oder schlecht lesbare Kopien von Grundrissen gibt? Auch diese Frage hat Friedrich beschäftigt: Große Teile der Führungsebenen sind noch in einer analogen Welt sozialisiert worden, drückt es der Strategieberater dieses Mal diplomatisch aus. Der Historiker würde an dieser Stelle von der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen sprechen, die bei jedem fundamentalen Umbruch festzustellen ist, so auch bei der Digitalisierung und Vernetzung von Wirtschaft und Gesellschaft.

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